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Vienna Calling - die Stadt ruft

Im Jahr 1979 veröffentlichte die englische (Post-)Punkband The Clash den Song «London Calling». Der Titel bezieht sich auf die Wendung, mit der die BBC in Radiobeiträgen während des Zweiten Weltkrieg die erschreckenden Nachrichten über den Kriegsverlauf eröffnete. Das London, das Joe Strummer, Frontman und Songwriter der Band, beschreibt, ist ebenfalls kein Ort hoffnungsspendender Nachrichten. Der Song ist eine explizite Absage an die blumig-sonnige Gelassenheit des Swinging London der 1960er Jahre und beschreibt eine heraufziehende Eiszeit, die durch ökologische Katastrophen, ökonomischen Niedergang und gesellschaftliche Entsolidarisierung gekennzeichnet ist: Die Stadt ist – wie schon 1939-1945 – kein sicherer Ort mehr, sondern zu einer Dystopie geworden.

Nur wenige Jahre später, 1985, lässt sich der Wiener Musiker Falco für den Titel seines Songs «Vienna Calling» offensichtlich von The Clash inspirieren, ruft jedoch ganz andere urbane Stimmungen auf. Falco hat wie kaum ein anderer Popstar am international verbreiteten Bild des borderlinenden Koks-und-Glamour-Wien mitgearbeitet – ein Imaginäres, das bis heute für die Popstadt Wien prägend ist. «Vienna Calling» artikuliert jedoch einen durchaus melancholischen Wunsch nach inter-metropolitaner Verbindung durch die und trotz der neuen Kommunikations- und Verkehrswege der sich beschleunigenden neoliberalen Globalisierung, in der das Kapital – zum Leidwesen der Bevölkerung – die vernachlässigten Innenstädte wiederentdeckt und der Verwertung zuführt.

Vienna Calling: Das ist auch der Name dieser Kolumne, die dem Ruf der Städte und des Städtischen folgt. Der Genealogie des Titels entsprechend, geht es um Städte als Orte der Krise und des Widerstands, um das Städtische als Utopie und als Dystopie, um das alltägliche Leben und die existenziellen Momente des Lebens in der Stadt. Maximilian Jablonowski, Kulturwissenschaftler mit Schwerpunkt Popkultur, Stadt und Medien sowie ehemaliger Redaktor des Bulletins, ist vor einiger Zeit von Zürich nach Wien gezogen. Von dort wird er über Alltag- und Popkulturelles aus dem Grossstadtleben berichten – oft spezifisch Wienerisch, manchmal eher allgemein-städtisch, immer emphatisch-urban!